Deutschland schiebt wieder nach Afghanistan ab
Am 30. August 2024 hat Deutschland erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren wieder afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland abgeschoben. Laut Innenministerin Nancy Faeser handelte es sich um 28 verurteilte Straftäter, die alle männlich waren. Diese Maßnahme wurde von verschiedenen politischen Akteuren in Deutschland unterschiedlich bewertet und wirft Fragen zur zukünftigen Abschiebepolitik auf.
Abschiebeflug aus Leipzig
Der Abschiebeflug startete am Morgen vom Flughafen Leipzig/Halle, was vom sächsischen Innenministerium bestätigt wurde. Die Maschine, ein Charterjet von Qatar Airways, hob um 6:56 Uhr ab und transportierte die 28 afghanischen Straftäter, die aus verschiedenen Bundesländern nach Leipzig gebracht worden waren. Vor der Abschiebung hatten die Betroffenen einen Großteil ihrer Strafe in Deutschland abgesessen.
Die Entscheidung zur Abschiebung fiel im Kontext eines tödlichen Messerangriffs in Mannheim, der die Bundesregierung veranlasste, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass die Abschiebungen ein klares Zeichen senden sollten: Wer Straftaten begehe, könne nicht damit rechnen, dass er nicht abgeschoben werde.
Politische Reaktionen und Bedenken
Die Rückführungen nach Afghanistan sind nicht unumstritten. Insbesondere die Grünen und ihre Außenministerin Annalena Baerbock äußerten Bedenken, dass solche Abschiebungen die Taliban indirekt legitimieren könnten. Omid Nouripour, Co-Vorsitzender der Grünen, warnte davor, dass der Flug nicht als Anerkennung der Taliban-Regierung interpretiert werden dürfe. Er betonte, dass eine direkte staatliche Zusammenarbeit mit den Taliban nicht möglich sei.
Baerbock erklärte, dass es bereits jetzt in Einzelfällen möglich sei, Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien durchzuführen, jedoch sei dies angesichts der dort herrschenden politischen Verhältnisse nicht trivial. Das bestehende Asylrecht sieht bereits Ausschlussgründe für den Schutz in Deutschland vor, insbesondere für Straftäter und Gefährder.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die rechtlichen Grundlagen für die Abschiebungen sind im Asylrecht verankert. Dieses sieht vor, dass Personen, die Kriegsverbrechen oder andere schwerwiegende Straftaten begangen haben, keinen Anspruch auf Schutz in Deutschland haben. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP plant, die Liste der Ausschlussgründe im Rahmen eines neuen Sicherheitspakets zu erweitern.
Menschenrechtliche Bedenken
Die Menschenrechtslage in Afghanistan hat sich seit der Rückkehr der Taliban erheblich verschlechtert. Kritiker warnen vor den Folgen der Abschiebungen, insbesondere für die Rechte von Frauen und Minderheiten. Unter der Taliban-Herrschaft sind Berichte über Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter und außergerichtlicher Hinrichtungen, an der Tagesordnung. Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, äußerte sich besorgt darüber, dass niemand in ein Land abgeschoben werden dürfe, in dem Folter drohe.
Zukunft der Abschiebepolitik
Experten befürchten, dass die Abschiebepraxis auf weitere Afghanen ausgeweitet werden könnte, die nicht als Schwerverbrecher gelten. Es bleibt unklar, wie die Taliban mit den abgeschobenen Personen umgehen werden. Thomas Ruttig, ein Experte für Afghanistan, warnte davor, dass abgelehnte Asylbewerber möglicherweise abgeschoben werden, bevor sie die Möglichkeit hatten, gegen ihre Abschiebung zu klagen.
Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten große Anstrengungen unternommen, um die Wiederaufnahme von Rückführungen zu erreichen. Dabei wurde auch die Unterstützung regionaler Partner, wie Katar, in Anspruch genommen, um die Verhandlungen über die Abschiebeflüge zu erleichtern.
Fazit
Die Abschiebung von 28 afghanischen Straftätern nach Afghanistan markiert einen Wendepunkt in der deutschen Abschiebepolitik, die seit der Machtübernahme der Taliban stark eingeschränkt war. Während die Regierung diese Maßnahme als notwendig erachtet, um das Sicherheitsinteresse Deutschlands zu wahren, bleibt die humanitäre und rechtliche Dimension der Abschiebungen umstritten. Die Diskussion über die Balance zwischen Sicherheit und Menschenrechten wird in den kommenden Monaten voraussichtlich weiter an Intensität gewinnen.