ROUNDUP 2: Israelischen Ministern drohen erstmals EU-Sanktionen
In der Europäischen Union wird derzeit die Möglichkeit von Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder geprüft. Der EU-Chefdiplomat Josep Borrell hat während eines Außenministertreffens in Brüssel einen Vorschlag für Strafmaßnahmen gegen den israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich und den Polizeiminister Itamar Ben-Gvir unterbreitet. Beide Minister sehen sich Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen und Aufstachelung zum Hass gegenüber.
Ben-Gvir hat sich in der Vergangenheit unter anderem dafür ausgesprochen, Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu stoppen, um die dort herrschende Hamas zur Aufgabe zu bewegen. Finanzminister Smotrich äußerte, dass eine Blockade von Hilfsgütern bis zur Freilassung aller israelischen Geiseln der Hamas moralisch gerechtfertigt sei, auch wenn dies den Hungertod von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen zur Folge haben könnte. Er räumte jedoch ein, dass die internationale Gemeinschaft ein solches Vorgehen nicht akzeptieren würde.
Die Hamas hält derzeit mehr als 100 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen mindestens ein Drittel als tot gilt. Am 7. Oktober vergangenen Jahres kam es zu einem beispiellosen Terroranschlag, bei dem palästinensische Terroristen mehr als 250 Menschen aus Israel entführten und rund 1.200 Menschen töteten. Die israelische Armee reagierte mit massiven Angriffen auf Gaza, bei denen nach palästinensischen Angaben mehr als 40.000 Menschen getötet wurden.
Reaktionen aus der EU
Ob und wann der Vorschlag von Borrell umgesetzt wird, bleibt unklar. In der EU müssen Sanktionsbeschlüsse einstimmig gefasst werden, und Länder wie Deutschland, Tschechien und Ungarn haben sich in der Vergangenheit eher kritisch gegenüber Sanktionen gegen Israel geäußert. Außenministerin Annalena Baerbock schloss jedoch eine deutsche Zustimmung zu den Plänen nicht aus. Sie betonte, dass die gesetzlichen Vorgaben und die Vorwürfe gegen die Politiker entscheidend sein sollten und dass jeder Fall individuell geprüft werden müsse.
Borrell kündigte an, dass es noch keinen Konsens gebe, er aber die Vorbereitungen für einen Sanktionsbeschluss weiter vorantreiben werde. Diplomaten berichteten, dass neben Ungarn auch andere mitteleuropäische Staaten und Italien kritisch zu seinem Vorschlag standen. Sollten die Sanktionspläne umgesetzt werden, könnten die betroffenen Minister von einer Einreise in die EU ausgeschlossen werden, und es könnte zu einem Einfrieren ihrer Vermögenswerte in der EU kommen.
Argumente gegen Sanktionen
Ein Argument gegen die Sanktionierung der Minister ist der anhaltende Druck auf die EU, den Konflikt im Nahen Osten zu deeskalieren. Diplomaten in Brüssel weisen darauf hin, dass Sanktionen die Gesprächskanäle zur israelischen Regierung gefährden könnten. Bisher hat die EU lediglich Sanktionen gegen einige radikale israelische Siedler und deren Strukturen verhängt. Sowohl Smotrich als auch Ben-Gvir unterstützen jedoch die umstrittene Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten des Westjordanlands, die aus Sicht des höchsten UN-Gerichts illegal ist.
Kritik aus Israel
Die Reaktionen aus Israel auf den Vorschlag von Borrell waren scharf. Israels Außenminister Israel Katz warnte vor möglichen israelfeindlichen Entscheidungen und kritisierte, dass diese von "anti-israelischen Elementen" vorangetrieben würden. Er betonte, dass die freie Welt an der Seite Israels stehen müsse, insbesondere angesichts der Bedrohung durch den Iran und dessen Stellvertreter im Terrorismus.
Borrell entgegnete, dass einige israelische Minister inakzeptable Hassbotschaften gegen Palästinenser verbreitet hätten und Vorschläge gemacht hätten, die eindeutig gegen das Völkerrecht verstießen und als Aufforderung zu Kriegsverbrechen interpretiert werden könnten. Er forderte die EU auf, ohne Tabus ihre Instrumente zu nutzen, um die Achtung des humanitären Völkerrechts zu gewährleisten.
Wachsende Forderungen nach EU-Sanktionen
Die Forderungen nach einem Kurswechsel der EU im Umgang mit Israel haben in letzter Zeit zugenommen. Amnesty International hat kurz vor dem EU-Außenministertreffen scharfe europäische Sanktionen wegen der israelischen Siedlungspolitik gefordert. In einem Brief an die Teilnehmer sprach sich die Organisation für ein umfassendes Waffenembargo und ein Verbot von Investitionen in bestimmte israelische Unternehmen und Banken aus. Zudem wurde empfohlen, den Handel mit Gütern aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten zu verbieten, einschließlich Ost-Jerusalem.
Die Menschenrechtler berufen sich auf ein im Juli veröffentlichtes Gutachten des Internationalen Gerichtshofs, das die israelische Besatzung als illegal einstuft und eine rasche Beendigung fordert. Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem im Sechstagekrieg von 1967 erobert und besetzt. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen eigenen Staat. Obwohl Israel 2005 den Gazastreifen geräumt hat, kontrolliert es weiterhin die Grenzen zu Land, Luft und Wasser.
Die aktuellen Spannungen im Nahen Osten wurden durch den Gaza-Krieg nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 weiter verschärft. Die Situation bleibt angespannt, und die internationalen Bemühungen um eine Deeskalation sind von entscheidender Bedeutung.
Die Entwicklungen in dieser Angelegenheit werden weiterhin aufmerksam verfolgt, und die Reaktionen der EU sowie der internationalen Gemeinschaft könnten weitreichende Folgen für die Beziehungen zwischen Israel und der EU haben.
Quellen: dpa-AFX, Der Standard, Amnesty International