Fachkräftemangel in Ostdeutschland: Eine wachsende Herausforderung
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist ein Thema, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Besonders in Ostdeutschland zeigt sich dieser Mangel in alarmierender Weise. Andrea Nahles, die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, hat kürzlich die Unterschiede zwischen den Arbeitsmärkten in Ost- und Westdeutschland hervorgehoben und betont, dass der Osten als Modellregion für den Westen fungiert, wenn es um den Fachkräftemangel geht.
Demografische Herausforderungen im Osten
Ein wesentlicher Faktor für den Fachkräftemangel in Ostdeutschland ist der demografische Wandel. Nahles erklärte, dass dieser in den ostdeutschen Flächenländern schneller und deutlicher voranschreitet als im Westen. Die Abwanderung junger Menschen nach der Wiedervereinigung hat dazu geführt, dass die Bevölkerung in Ostdeutschland überdurchschnittlich alt ist. In den kommenden Jahren werden viele ältere Arbeitnehmer in den Ruhestand gehen, während der Nachwuchs an Fachkräften fehlt. Während die Beschäftigung in Westdeutschland weiter wächst, sinkt sie im Osten bereits.
Die demografische Entwicklung in Ostdeutschland könnte somit ein Vorzeichen dafür sein, wo ganz Deutschland in den nächsten Jahren stehen könnte. Dies wirft Fragen auf, wie die Arbeitsmärkte in Zukunft gestaltet werden können, um den Herausforderungen des Fachkräftemangels zu begegnen.
Der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte
Ein interessanter Aspekt, den Nahles ansprach, ist der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte, der der Wirtschaft in Ostdeutschland zugutekommt. Insbesondere in Thüringen ist der Anstieg der Beschäftigung seit 2017 ausschließlich auf Menschen zurückzuführen, die keinen deutschen Pass haben. Dies ist ein Trend, der in Gesamtdeutschland erst seit 2023 zu beobachten ist. Nahles betonte die Notwendigkeit, eine Kultur der Offenheit und Vielfalt zu fördern, um weiterhin attraktiv für Zuwanderer zu bleiben.
Die bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen werfen jedoch einen Schatten auf diesen positiven Trend. Umfragen deuten auf starke Ergebnisse für die AfD hin, die eine restriktivere Zuwanderungspolitik verfolgt. Dies könnte die Bemühungen um eine Willkommenskultur in diesen Regionen gefährden.
Arbeitslosigkeit trotz Fachkräftemangel
Ein weiteres bemerkenswertes Phänomen ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland, trotz des fortschreitenden Fachkräftemangels. Nahles stellte fest, dass es derzeit keine Anzeichen gibt, dass sich dieser Trend umkehren wird. Die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib, bestätigte, dass die wirtschaftliche Stagnation auch am Arbeitsmarkt spürbar wird.
Die Arbeitslosenzahl in Deutschland stieg im August saisonbedingt um 63.000 auf 2,872 Millionen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen um 176.000 gestiegen. Die Arbeitslosenquote liegt nun bei 6,1 Prozent, während die Zahl der offenen Stellen im Jahresvergleich um 72.000 auf 699.000 gesunken ist. Diese Zahlen verdeutlichen die Herausforderungen, die der Arbeitsmarkt in Ostdeutschland bewältigen muss.
Der Ausbildungsmarkt im Wandel
Trotz der Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt gibt es positive Entwicklungen im Ausbildungsbereich. Von Oktober 2023 bis August 2024 meldeten sich 418.000 junge Menschen als Bewerber für Ausbildungsplätze, was einen Anstieg von 10.000 im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Dennoch blieben im August 82.000 Bewerber ohne Ausbildungsplatz oder Alternative. Gleichzeitig waren von insgesamt 502.000 Lehrstellen 158.000 unbesetzt.
Die Bundesagentur für Arbeit erwartet, dass sich die Zahl der unvermittelten Bewerber und offenen Ausbildungsstellen bis Ende September verringern wird. Dies deutet darauf hin, dass der Ausbildungsmarkt in Bewegung ist und sich an die aktuellen Bedürfnisse anpasst.
Forderungen der Arbeitgeber
Angesichts der unbesetzten Lehrstellen forderte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, das Problem des Fachkräftemangels an der Wurzel zu packen. Er betonte die Notwendigkeit, die Bildungsqualität zu verbessern und eine praxisorientierte Berufsorientierung zu fördern. Mehr als ein Drittel der Ausbildungsplätze blieb im vergangenen Jahr unbesetzt, insbesondere bei kleinen Betrieben, wo es fast zwei von drei unbesetzten Plätzen waren. Dulger warnte, dass diese Lücke die Zukunftsperspektiven Deutschlands gefährden könnte, wenn nicht zeitnah gehandelt wird.
Die Situation in Ostdeutschland zeigt somit eine komplexe Gemengelage aus demografischen Herausforderungen, dem Zuzug ausländischer Arbeitskräfte und einem sich verändernden Arbeitsmarkt. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um Lösungen für den Fachkräftemangel zu finden und die wirtschaftliche Stabilität in der Region zu sichern.
Quellen: dpa-AFX, Bundesagentur für Arbeit