Experte: „Keinen guten Grund“ für Meyer-Werft-Rettung
Die Meyer Werft, bekannt für den Bau von Kreuzfahrtschiffen, steht vor einer finanziellen Krise, die eine staatliche Intervention erforderlich macht. Der Bund und das Land Niedersachsen haben bereits Unterstützung in Milliardenhöhe in Aussicht gestellt, um eine Finanzierungslücke von fast 2,8 Milliarden Euro zu schließen. Diese geplante Rettung wird jedoch von Experten kritisch betrachtet.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, äußerte sich in einem Interview mit dem NDR skeptisch zu den Rettungsplänen. Er betonte, dass es keinen überzeugenden Grund gebe, warum die Meyer Werft für Deutschland von essenzieller Bedeutung sei. „Es gibt eigentlich keinen guten Grund, weshalb jetzt dieses Unternehmen für Deutschland essenziell ist. Das ist es nicht“, so Fratzscher.
Fratzscher wies darauf hin, dass der Staat nicht alle Unternehmen retten könne, die in Schwierigkeiten geraten. „Wir müssen realisieren, wir können nicht alles in Deutschland machen. Wir können nicht alle Produkte produzieren.“ Diese Aussage verdeutlicht die Notwendigkeit einer realistischen Betrachtung der wirtschaftlichen Lage der Werft und der Branche insgesamt.
Ein zentrales Argument von Fratzscher ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Meyer Werft. Er äußerte Bedenken, dass kein privater Investor bereit sei, sich an der Werft zu beteiligen, obwohl großzügige staatliche Garantien angeboten werden. „Das sollte eigentlich ein Alarmsignal an alle sein, dass dieses Unternehmen eigentlich so nicht nachhaltig aufgestellt ist“, erklärte er weiter.
Die Meyer Werft hat in der Vergangenheit bereits auf staatliche Unterstützung zurückgegriffen, um ihre finanziellen Schwierigkeiten zu bewältigen. Bundeskanzler Olaf Scholz und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil haben die Werft besucht und ihre Unterstützung zugesagt. Die endgültige Entscheidung über die Rettung steht jedoch noch aus.
Die Bundesregierung plant, dass der Bund und das Land Niedersachsen jeweils etwa 900 Millionen Euro bürgen und vorübergehend 80 bis 90 Prozent der Werft übernehmen. Medienberichten zufolge könnten zusätzlich etwa 200 Millionen Euro von beiden Seiten erforderlich sein, um die Werft zu stabilisieren.
Die Skepsis über die Notwendigkeit und Machbarkeit einer staatlichen Rettung wird durch interne Dokumente des Bundesfinanzministeriums untermauert. Diese Dokumente zeigen, dass die wirtschaftliche Lage der Meyer Werft als kritisch angesehen wird. Es wird auf eine Unterauslastung der Werftkapazitäten hingewiesen, und es wird festgestellt, dass die Werft in der Vergangenheit bereits Notkredite aufnehmen musste, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.
Die Bundesregierung hat klare Bedingungen für eine staatliche Beteiligung an der Werft festgelegt. Dazu gehört die Notwendigkeit, einen privaten Investor zu finden, der mindestens 30 Prozent Eigenkapital einbringt. Diese Bedingung wurde von der niedersächsischen Landesregierung ebenfalls betont, da sie sich an der Rettung beteiligen möchte. Bisher gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass ein solcher Investor bereit ist, in die Meyer Werft zu investieren.
Die Diskussion um die Rettung der Meyer Werft wirft grundlegende Fragen über die Rolle des Staates in der Wirtschaft auf. Während einige argumentieren, dass die Werft als „industrielles Kronjuwel“ betrachtet werden sollte, warnen andere vor den Risiken, die mit einer staatlichen Intervention verbunden sind. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP, Otto Fricke, hat betont, dass Skepsis und kritische Nachfragen angesichts des Einsatzes von Steuergeld angebracht sind.
Die Entscheidung über die staatliche Unterstützung wird im September im Haushaltsausschuss des Bundestages behandelt. Angesichts der Frist, die am 15. September abläuft, um einen Kredit zurückzuzahlen, wird die Zeit für die Meyer Werft zunehmend knapp. Die Diskussionen über die Rettung sind noch nicht abgeschlossen, und es bleibt abzuwarten, ob eine Einigung erzielt werden kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die geplante Rettung der Meyer Werft auf einer Vielzahl von Unsicherheiten beruht. Die Bedenken über die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und die fehlende Bereitschaft privater Investoren, sich zu beteiligen, werfen Fragen über die Nachhaltigkeit einer solchen staatlichen Intervention auf.
Die Situation der Meyer Werft ist ein Beispiel für die Herausforderungen, vor denen viele Unternehmen in der heutigen Wirtschaft stehen, und die Entscheidungen, die in den kommenden Wochen getroffen werden, könnten weitreichende Auswirkungen auf die maritime Industrie in Deutschland haben.
Quellen: dpa, NDR, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung