Londoner Finanzdistrikt trotzt Brexit: Wachstum und Wandel im Square Mile
Trotz des EU-Austritts Großbritanniens floriert der Finanzdistrikt der britischen Hauptstadt. Wie Michael Mainelli, das Oberhaupt der City of London Corporation, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur betonte, habe die City of London in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum verzeichnet.
Die durch den Brexit entstandenen Handelsbarrieren hätten den Dienstleistungssektor weniger stark getroffen als befürchtet, so Mainelli. London behaupte seine Position als weltweit bedeutendster Finanzplatz.
Die Zahl der Beschäftigten in der auch als Square Mile bekannten City ist seit dem Brexit-Referendum 2016 deutlich gestiegen. Laut Mainelli stieg die Zahl der Arbeitsplätze von 525.000 auf 615.000. Der Großteil der Unternehmen in der City seien kleine und mittelständische Firmen.
Als weiteren Indikator für den Erfolg nannte Mainelli den wachsenden Anteil Londons am globalen Vermögensmanagement. Dieser sei zwischen 2016 und 2023 von 11 Prozent auf 13 Prozent gestiegen.
Mainelli, der sein Amt als 695. Lord Mayor in Kürze abgeben wird, plant Anfang Oktober eine Reise nach Deutschland, um Hamburg und München zu besuchen.
"Ohne Brexit wäre es uns besser ergangen"
Obwohl die City of London ein beachtliches Wachstum verzeichnet, ist Mainelli überzeugt, dass der Verbleib in der EU für die Stadt vorteilhafter gewesen wäre. Seiner Schätzung nach hat der Brexit die City etwa 30.000 bis 40.000 Arbeitsplätze gekostet.
Dennoch betont er, dass die aktuellen Entwicklungen positiv zu bewerten seien. "Es laufe blendend", so Mainelli gegenüber der dpa.
Dienstleistungen als Wachstumsmotor
Der Dienstleistungssektor macht etwa 80 Prozent der britischen Wirtschaftsleistung aus. In der City of London sind neben Banken, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistern auch Unternehmen aus den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Schifffahrt, Kunst, Medien, Kultur und Bildung angesiedelt.
Insgesamt finden sich in der City 40 wissenschaftliche Gesellschaften, 177 Hochschulen und 130 Forschungsinstitute.
Eine kürzlich veröffentlichte Analyse der London School of Economics (LSE) bestätigt die Angaben Mainellis. Die Studie zeigt, dass der Brexit vor allem kleinere Unternehmen im Warenhandel getroffen hat, während der Dienstleistungssektor seine Exporte steigern konnte.
Pandemie als Katalysator für Effizienz
Mainelli sieht in der Corona-Pandemie einen weiteren Faktor für den Erfolg der City. Die Pandemie habe zu mehr Effizienz geführt, da beispielsweise die Beratung per Videoschalte deutlich besser angenommen werde. Dies habe zu einem Rückgang der Geschäftsreisen geführt.
"Wenn man zwei oder drei Reisen vermeiden kann, die persönlich stattfinden mussten, braucht es nicht viel, um deutlich effizienter und produktiver zu werden", so Mainelli.
Sonderstatus und Verwaltung der City
Die City of London, die das Gebiet der historischen Altstadt umfasst, ist der zentrale Standort der britischen Finanzindustrie und genießt einen Sonderstatus, der bis ins Mittelalter zurückreicht.
Verwaltet wird sie von der City of London Corporation, deren jährlich neu gewählter Repräsentant den Titel "Lord Mayor" trägt. Die Corporation nimmt neben Verwaltungsaufgaben auch die Interessen der Unternehmen in der City wahr.
Quelle: dpa-AFX