Kritik aus der Wirtschaft an Plänen zur Strommarkt-Reform
In Deutschland regt sich erheblicher Widerstand aus der Wirtschaft gegen die aktuellen Reformpläne des Strommarktes. Die Kritik konzentriert sich insbesondere auf die vorgesehenen Rabatte bei Netzentgelten für energieintensive Unternehmen. In einem Schreiben des Wirtschaftsrats der CDU an den Wirtschaftsminister Robert Habeck sowie an den Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, wird auf die Verunsicherung hingewiesen, die diese Pläne innerhalb der Mitgliedschaft ausgelöst haben. Der Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag, wurde zuerst von der „Welt“ thematisiert.
Ein Sprecher der Bundesnetzagentur betonte, dass es wichtig sei, das vorhandene und zukünftige Flexibilitätspotential der Industrie zu realisieren, ohne diese jedoch zu überfordern. Dies ist besonders relevant, da die Energiewende die Struktur der Stromerzeugung in Deutschland grundlegend verändert. Der Rückgang der klassischen Grundlastkraftwerke, bedingt durch den Ausstieg aus der Kernenergie und der Kohleverstromung, führt zu einer zunehmend volatilen Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen.
Veränderungen in der Stromerzeugerlandschaft
Ein Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur zur Weiterentwicklung der Industrienetzentgelte beschreibt, wie die Energiewende die Landschaft der Stromerzeugung stark beeinflusst. Der Anteil an erneuerbaren Energien wächst, während der Anteil der traditionellen Kraftwerke abnimmt. Dies hat zur Folge, dass die Einspeisung von Strom unbeständiger wird, was wiederum neue Anforderungen an den Netzbetrieb stellt. Die Notwendigkeit einer Neubewertung der Anreize, die durch Sondernetzentgelte gesetzt werden, wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben.
Die sogenannte Bandlast, die stromintensive Letztverbraucher dazu anregt, eine konstante Stromabnahme über das gesamte Jahr hinweg aufrechtzuerhalten, könnte in Zukunft nicht mehr die bevorzugte Strategie sein. Die Bundesnetzagentur fordert eine flexiblere Nachfrage, da das Interesse an einer konstanten Leistungsaufnahme zurückgeht.
Neues Rabattsystem in der Diskussion
Im August legte das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium ein Konzept für ein zukünftiges „Strommarktdesign“ vor. Dieses sieht vor, dass die derzeitige Netzentgeltstruktur für Großverbraucher den gleichmäßigen Verbrauch von Strom begünstigt. Für viele Unternehmen ist die verstärkte Nutzung von Wind- und Solarstrom finanziell unattraktiv. Die Energiewende erfordert jedoch einen flexiblen Stromverbrauch, was sowohl das Hochfahren bei niedrigen Preisen als auch die Lastreduktion bei hohen Preisen einschließt.
Das Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur schlägt vor, dass Unternehmen, die in Zeiten niedriger Preise ihre Stromabnahme im Vergleich zu ihrem individuellen Jahresdurchschnitt erheblich erhöhen und in Zeiten hoher Preise ihre Abnahme senken, eine Netzentgeltprivilegierung erhalten sollen.
Warnungen des Wirtschaftsrats
Der Wirtschaftsratsbrief warnt, dass für viele Industrieunternehmen eine Anpassung der Produktion an die volatile Stromerzeugung entweder technisch nicht möglich sei oder zu einer schlechten Auslastung des Maschinenparks führe. Dies könnte dazu führen, dass deutsche Betriebe im europäischen Wettbewerb aufgrund hoher Stückkosten unterlegen sind. Der Wirtschaftsrat hebt hervor, dass es ein verheerendes Signal für den Standort Deutschland wäre, wenn ein durchgehender Produktionsbetrieb nur noch mit extrem hohen Stromkosten möglich wäre.
Bereits jetzt ziehen viele Unternehmen in Betracht, energieintensive Neu- und Folgeanlagen ins Ausland zu verlagern. Das Bandlastprivileg für Unternehmen, die aus technologischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht flexibel arbeiten können, müsse daher beibehalten werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern.
Fazit und Ausblick
Die Diskussion um die Reform des Strommarktes in Deutschland zeigt, wie komplex und vielschichtig die Herausforderungen im Zuge der Energiewende sind. Die Bedenken der Wirtschaft sind ein wichtiger Aspekt, der in die weiteren Planungen einfließen sollte. Die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen der Förderung erneuerbarer Energien und der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie wird eine zentrale Herausforderung für die Politik darstellen.
Die kommenden Monate werden zeigen, wie die Bundesregierung auf die vorgebrachten Bedenken reagiert und welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden, um sowohl den Anforderungen der Energiewende gerecht zu werden als auch die Industrie nicht übermäßig zu belasten.
Quellen:
- https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/kritik-aus-der-wirtschaft-an-plaenen-zu-strommarkt-reform-13798779
- https://www.boersennews.de/nachrichten/artikel/dpa-afx/kritik-aus-der-wirtschaft-an-plaenen-zu-strommarkt-reform/4539678/
- https://www.topagrar.com/energie/news/strommarktdesign-habecks-plaene-in-der-kritik-20005860.html
- https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/kritik-an-habecks-netzentgelt-plaenen-chemiepark-ist-kein-herd-den-man-einfach-abschalten-kann-li.2248179