Perfekte Täuschung: Wie KI die Modewelt erobert
In der heutigen Modewelt spielt Künstliche Intelligenz (KI) eine zunehmend zentrale Rolle. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die jüngste Sommerkampagne des spanischen Modehauses Mango, die ein KI-generiertes Model präsentierte. Diese digitale Kreation war so realistisch, dass selbst Marco Sinervo, CEO einer der größten Modelagenturen Deutschlands, zunächst nicht erkannte, dass es sich um einen Avatar handelte. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Appinio empfanden 72 Prozent der Befragten die Darstellung des Models als realitätsnah.
Die Nutzung von KI in der Modebranche bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Unternehmen wie Beyond Studio, das stark auf KI-gestützte Fotoproduktionen setzt, berichten von erheblichen Einsparungen bei Zeit und Kosten. Anstatt für Fotoshootings um die Welt zu reisen, können Hintergründe digital erstellt werden, was nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Vorteile bietet.
Michael Berger, Geschäftsführer von Beyond Studio, erklärt, dass es im besten Fall sogar günstiger wäre, ganz auf menschliche Models zu verzichten. Derzeit ist es jedoch notwendig, Kleidung an physischen Modellen zu fotografieren, da KI diese noch nicht korrekt darstellen kann. Oft werden sogenannte Körpermodelle verwendet, deren Köpfe später digital ersetzt werden. Dieser Prozess ist momentan noch kostspielig, könnte aber durch Automatisierung in der Zukunft günstiger werden.
Auch in Deutschland setzen Unternehmen wie der Otto-Konzern und Zalando auf KI-generierte Models zur Produktdarstellung. Diese digitalen Avatare können in Sekundenschnelle in verschiedenen Outfits und Umgebungen platziert werden, was die Flexibilität und Effizienz in der Modefotografie erheblich steigert.
Die Zukunft der Modelbranche
Die Frage, ob menschliche Models und Fotografen bald überflüssig werden, wird kontrovers diskutiert. Norbert Hansen, Vorstandsvorsitzender des Verbands lizenzierter Modellagenturen (Velma), sieht eine düstere Zukunft für viele Agenturen. Er warnt, dass die rasante technische Entwicklung dazu führen könnte, dass zahlreiche Agenturen nicht mehr existieren. Viele Online-Shops könnten langfristig vollständig auf KI-generierte Bilder umsteigen, da der Fokus auf den Produkten und nicht auf den Models liegt.
Im Gegensatz dazu betont Sinervo, dass KI nicht das gewünschte „sexy“ Element in der Mode darstellt. Er sieht den Einsatz von KI-Avataren eher als Rückschritt denn als Fortschritt. In einer Welt, die zunehmend von Oberflächlichkeit geprägt ist, haben die Menschen ein starkes Bedürfnis nach Authentizität und Realität. Technisch generierte Models könnten ein unnatürliches Schönheitsideal vermitteln, das nicht den Erwartungen der Verbraucher entspricht.
Modefotograf Axl Jansen teilt diese Bedenken und warnt vor einer möglichen Ermüdung bei den Konsumenten. Er zieht Parallelen zu früheren Trends in der Fotografie, die schnell wieder in den Hintergrund gedrängt wurden. Viele Fotografen der jüngeren Generation kehren sogar zur analogen Fotografie zurück, da authentische Bilder nach wie vor gefragt sind.
Rechtliche Fragestellungen und Bildrechte
Ein weiteres wichtiges Thema ist die rechtliche Situation rund um KI-generierte Bilder. Wem die Rechte an diesen Bildern zustehen, ist unklar, da es in Deutschland noch keine klaren Regelungen gibt. Für Models sind Bildrechte eine bedeutende Einnahmequelle, da sie diese in der Regel für begrenzte Zeiträume verkaufen. Unternehmen könnten jedoch durch KI in der Lage sein, Gesichter so zu verändern, dass sie keine Rechte mehr zahlen müssen.
Ein KI-Avatar könnte es Models theoretisch ermöglichen, sich häufiger „zu verkaufen“ und somit ihre Einnahmen zu steigern. Doch solange die rechtliche Lage unklar bleibt, ist dies für viele Models wenig attraktiv. Sinervo weist darauf hin, dass viele Models kein Interesse daran haben, als KI-Model zu arbeiten, da dies ihre Exklusivität gefährden könnte.
Kennzeichnungspflicht und die Zukunft von KI in der Mode
Eine Umfrage von Appinio zeigt, dass 81 Prozent der Befragten eine klare Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten wünschen. Inken Paland, Expertin für KI im Bereich Social Media, betont die Notwendigkeit, KI-Modelle als solche zu erkennen, um Missverständnisse zu vermeiden. Sinervo warnt jedoch, dass eine Kennzeichnungspflicht den Hype um KI in der Modebranche schnell abflauen lassen könnte, da dies den KI-Bildern und dem Image der Marken einen negativen Beigeschmack verleihen könnte.
Paland sieht dies anders und glaubt, dass Menschen sich gegen neue Technologien wehren, bis sie als normal akzeptiert werden. Ihrer Meinung nach könnten KI-Avatare bald genauso alltäglich werden wie Cookies auf Websites.
Insgesamt zeigt sich, dass die Integration von KI in die Modewelt sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. Während Unternehmen von den Vorteilen profitieren können, bleibt abzuwarten, wie sich die Wahrnehmung der Verbraucher und die rechtlichen Rahmenbedingungen entwickeln werden.
Quellen: dpa-AFX, Appinio, Beyond Studio, Otto-Konzern, Zalando, Marco Sinervo, Norbert Hansen, Axl Jansen.