Nach Sperrung von Elon Musks X: Brasilianischer Ex-Präsident Bolsonaro mobilisiert Anhänger zu Straßenprotest
Nach der Sperrung der Online-Plattform X, die ehemals als Twitter bekannt war, in Brasilien haben sich Tausende von Demonstranten versammelt, um gegen die Entscheidung des Bundesrichters Alexandre de Moraes zu protestieren. Angeführt wird die Protestbewegung von Jair Bolsonaro, dem ehemaligen Präsidenten Brasiliens, der in der Vergangenheit oft als der „Trump der Tropen“ bezeichnet wurde. Die Demonstration fand am brasilianischen Unabhängigkeitstag auf der Avenida Paulista in São Paulo statt und wurde von Bolsonaro genutzt, um ein Amtsenthebungsverfahren gegen Moraes zu fordern.
Bolsonaro bezeichnete Moraes während der Kundgebung als „Diktator“ und erklärte: „Wir werden denen einen Riegel vorschieben, die die Grenzen unserer Verfassung überschreiten.“ Er forderte den brasilianischen Senat auf, Maßnahmen gegen Moraes zu ergreifen, den er als eine größere Bedrohung für Brasilien ansah als den aktuellen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.
Die Sperrung von X in Brasilien wurde am 30. August 2024 angeordnet, nachdem Moraes dem Onlinedienst vorwarf, nicht ausreichend gegen die Verbreitung von Hassrede und Falschinformationen vorzugehen. Diese Entscheidung folgte auf einen monatelangen Streit zwischen dem Obersten Gericht und dem Eigentümer von X, Elon Musk, der sich selbst als Verteidiger der freien Meinungsäußerung sieht und die Maßnahmen als Zensur kritisiert.
Der Konflikt zwischen Moraes und Musk eskalierte, als der Richter von X verlangte, Konten von rechtsgerichteten Aktivisten zu sperren, die Verschwörungstheorien und Falschinformationen verbreiteten. Musk wies die Forderung zurück und zahlte auch die verhängte Geldstrafe nicht. Darüber hinaus ließ er eine Frist zur Benennung eines gesetzlichen Vertreters für X in Brasilien verstreichen.
Die Proteste, die von Bolsonaro organisiert wurden, sind nicht nur eine Reaktion auf die Sperrung von X, sondern auch ein Ausdruck seiner anhaltenden politischen Ambitionen. Während seiner Präsidentschaft von 2019 bis 2022 war Bolsonaro bekannt dafür, dass er seine Anhänger mobilisierte, um gegen politische Gegner vorzugehen und Falschinformationen zu verbreiten. Ein sogenanntes „Hass-Kabinett“ in seinem Präsidialamt soll Verleumdungskampagnen gegen politische Gegner organisiert haben.
Bei der Demonstration forderte Bolsonaro auch eine Amnestie für seine Anhänger, die wegen des Angriffs auf das Regierungsviertel in Brasília am 8. Januar 2023 verurteilt wurden. Diese Anhänger hatten den Präsidentenpalast, das Parlament und den Obersten Gerichtshof gestürmt und behauptet, dass die Wahl, die Bolsonaro im Oktober 2022 verloren hatte, gestohlen worden sei. Infolge dieser Ereignisse wird gegen Bolsonaro selbst wegen versuchten Staatsstreichs ermittelt.
Bolsonaro hat sich in den letzten Monaten verstärkt mit der Justiz angelegt, insbesondere mit Moraes, der als Richter des Wahlgerichts TSE entschieden hatte, dass Bolsonaro bis 2030 für kein öffentliches Amt kandidieren darf. Diese Entscheidung war eine Reaktion auf Bolsonaros Versuche, das brasilianische Wahlsystem zu diskreditieren.
Die aktuellen Proteste sind auch vor dem Hintergrund der bevorstehenden Kommunalwahlen in Brasilien zu sehen. Bolsonaro versucht, seine politische Basis zu mobilisieren und zu zeigen, dass er trotz seiner Abwahl und der gegen ihn laufenden Ermittlungen weiterhin Einfluss hat. Die Demonstranten riefen während der Kundgebung Slogans wie „Demokratie“ und „Freiheit“, was darauf hindeutet, dass sie die Sperrung von X als Angriff auf ihre Meinungsfreiheit betrachten.
Die Situation in Brasilien bleibt angespannt, da die politischen Gräben zwischen den Anhängern Bolsonaros und den Unterstützern der aktuellen Regierung weiterhin tief sind. Die Entscheidung von Moraes, X zu sperren, hat die bereits bestehenden Spannungen weiter angeheizt und könnte weitreichende Folgen für die politische Landschaft in Brasilien haben. Während Bolsonaro und seine Anhänger versuchen, die Narrative um Meinungsfreiheit und Zensur für ihre Zwecke zu nutzen, bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickeln wird und welche Auswirkungen dies auf die bevorstehenden Wahlen haben könnte.
Die Ereignisse in Brasilien werfen auch ein Licht auf die globalen Herausforderungen im Umgang mit sozialen Medien und der Regulierung von Inhalten, insbesondere in einem politischen Klima, das zunehmend polarisiert ist. Die Debatte um die Verantwortung von Plattformen wie X in Bezug auf Hassrede und Falschinformationen wird weiterhin eine zentrale Rolle in der politischen Diskussion spielen.
Quellen: dpa, AFP, ZDF, Handelsblatt, DW