WDH/'Perle des Orients' zum Auftakt: Scholz besucht Zentralasien
Bundeskanzler Olaf Scholz hat am frühen Morgen seine erste Reise in die ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens angetreten. Diese Reise, die sowohl politische als auch wirtschaftliche Dimensionen umfasst, beginnt in Usbekistan, wo Scholz mehrere Abkommen unterzeichnen wird. Zu den zentralen Themen seiner Reise zählen die Sicherstellung von Öl- und Gaslieferungen, die Steuerung der Migration sowie die Diskussion über Sanktionen gegen Russland.
Scholz, der seit Dezember 2021 im Amt ist, wird am Montag für zwei Tage nach Kasachstan weiterreisen, dem größten und wirtschaftlich stärksten Land der Region. Dort ist ein Gipfeltreffen mit den fünf zentralasiatischen Staaten geplant, zu denen neben Kasachstan auch Kirgistan, Turkmenistan und Tadschikistan gehören. Diese Reise ist Teil einer Strategie, die Beziehungen zu diesen Ländern zu vertiefen, die vor einem Jahr in Berlin mit einer strategischen Partnerschaft in den Bereichen Wirtschaft, Energie, Klima und Umwelt vereinbart wurde.
Zentralasien: Eine Region im Wandel
Die fünf zentralasiatischen Staaten haben zusammen eine Bevölkerung von etwa 80 Millionen Menschen, was etwas weniger ist als die Bevölkerung Deutschlands. Ihre Fläche ist jedoch elfmal so groß wie Deutschland und entspricht in etwa dem Gebiet der gesamten Europäischen Union. In der Vergangenheit war die Region oft im Schatten der beiden Großmächte China und Russland, die das Interesse der deutschen Wirtschaft auf sich zogen. Der russische Angriff auf die Ukraine hat jedoch das Interesse an Zentralasien neu entfacht.
Mit dem Wegfall Russlands als wichtigstem Energielieferanten für Deutschland und der Notwendigkeit, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren, ist die Bundesregierung bestrebt, neue Partnerschaften in Zentralasien zu etablieren. Diese Länder bieten nicht nur Zugang zu wichtigen Rohstoffen, sondern auch die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Beziehungen zu diversifizieren.
Rohstoffe und Menschenrechte
Die Rohstoffvorkommen in Zentralasien sind für Deutschland von großem Interesse. Kasachstan beispielsweise versorgt bereits die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt mit Öl und gleicht damit die Reduzierung der russischen Lieferungen aus. Darüber hinaus ist die Bundesregierung an den Gasvorkommen in der Region interessiert. Kasachstan ist auch reich an Uran, Eisenerz, Zink, Kupfer und Gold und gilt als potenzieller Partner für die Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien.
Allerdings stehen die autoritär geführten Staaten der Region wegen Menschenrechtsverletzungen international in der Kritik. Turkmenistan wird beispielsweise als eine abgeschottete Diktatur angesehen. Vor der Reise forderte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Scholz auf, die Missstände offen anzusprechen. Es wird betont, dass engere Beziehungen zu Zentralasien ohne eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Region nicht möglich sind.
Scholz' Agenda in Zentralasien
Ein zentrales Anliegen von Scholz während seiner Reise ist die Diskussion über die Umgehung von Sanktionen gegen Russland. Die zentralasiatischen Staaten stehen vor der Herausforderung, ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland zu managen, während sie gleichzeitig betonen, dass sie das westliche Sanktionsregime unterstützen. Der Anstieg der Exporte von Kasachstan nach Russland seit Beginn des Ukraine-Kriegs wirft Fragen auf, ob Unternehmen versuchen, Sanktionen zu umgehen. Scholz wird darauf vorbereitet sein, dieses Thema während seiner Gespräche anzusprechen.
Ein kulturelles Highlight der Reise ist der Besuch von Samarkand, einer über 2.500 Jahre alten Stadt, die auch als „Perle des Orients“ bekannt ist. Scholz wird dort den Registan, einen der prächtigsten Plätze Asiens, und die Tilla-Kori-Moschee aus dem 17. Jahrhundert besuchen. In Usbekistan wird er auch ein Migrationsabkommen unterzeichnen, das die Einwanderung von usbekischen Fachkräften nach Deutschland und die Rückführung von ausreisepflichtigen Usbeken erleichtern soll. Usbekistan hat sich in den letzten Jahren stärker dem Westen geöffnet und unter Präsident Schawkat Mirsijojew zahlreiche Reformen durchgeführt.
Wirtschaftliche Perspektiven und Herausforderungen
Die wirtschaftlichen Aussichten für Usbekistan sind vielversprechend, mit einem erwarteten Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent in diesem Jahr. Dies ist zum Teil auf die engen Handelsbeziehungen zu China und Russland zurückzuführen. Scholz wird auch die Möglichkeit erörtern, wie Deutschland von den Reformen in Usbekistan profitieren kann, insbesondere in den Bereichen Energie und Infrastruktur.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Reise von Bundeskanzler Scholz nach Zentralasien sowohl eine geopolitische als auch eine wirtschaftliche Dimension hat. Die Herausforderungen, die sich aus den Menschenrechtsfragen und der Notwendigkeit ergeben, Sanktionen gegen Russland zu thematisieren, werden ebenso wichtig sein wie die Chancen, die sich aus den Rohstoffvorkommen und den wirtschaftlichen Beziehungen ergeben.
Die Entwicklungen in Zentralasien werden in den kommenden Tagen und Wochen genau beobachtet werden, da sie möglicherweise weitreichende Auswirkungen auf die deutsche Außenpolitik und die wirtschaftlichen Beziehungen zu dieser strategisch wichtigen Region haben könnten.