Rekordeffizienz der europäischen Banken in herausfordernden Zeiten

September 4, 2024
04.09.2024
4 Minuten
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Totgeglaubte leben länger - Rekordeffizienz trotz turbulenter Zeiten

Frankfurt am Main - Die jüngste Bankenstudie der Management- und Technologieberatung BearingPoint zeigt, dass europäische Banken im Jahr 2023 ihre Kosteneffizienz weiter steigern konnten. Dies ist bereits das dritte Jahr in Folge, in dem eine Effizienzsteigerung verzeichnet wird. Die Cost-Income-Ratio (CIR) erreichte mit 55,1 Prozent den niedrigsten Wert seit 2013. Diese positive Entwicklung ist in vielen Teilen des Kontinents zu beobachten, wobei insbesondere die nordischen Länder sowie Spanien und Portugal führende Positionen einnehmen.

In der aktuellen Studie wird festgestellt, dass die nordischen Länder mit einer CIR von 39,9 Prozent und Spanien sowie Portugal mit Werten von 42,5 Prozent weiterhin an der Spitze stehen. Auch Österreich konnte seine Effizienz trotz Herausforderungen im Osteuropageschäft, insbesondere in Russland, verbessern. In Deutschland und Frankreich hingegen ist die Situation komplexer. Hier führt die im europäischen Vergleich längere Zinsbindung im Finanzierungsgeschäft dazu, dass die Ertragspotenziale durch Leitzinserhöhungen bislang nicht vollständig ausgeschöpft werden konnten. Eine Verbesserung der CIR in Deutschland wird daher erst mittelfristig erwartet.

Die CIR-Werte beider Länder werden nur von der Schweiz übertroffen, wo die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS erhebliche Auswirkungen auf die Ergebnisse aller analysierten Bereiche hat. Dr. Robert Bosch, globaler Leiter Banking & Capital Markets bei BearingPoint, kommentiert die Situation: „Das Jahr 2023 markiert eine Zeitenwende für den europäischen Bankenmarkt. Nach Jahren wirtschaftlicher Unsicherheiten und der Herausforderung durch die Nullzinspolitik konnten die europäischen Banken ihre Ertrags- und Finanzlage deutlich stabilisieren.“

Vorsteuergewinne durch Zinsüberschüsse getrieben

Die Studie zeigt, dass die Zinserträge europäischer Banken im Jahr 2023 um 82,4 Prozent gestiegen sind. Die Geldinstitute konnten die Zinsmarge auf 1,23 Prozent anheben. Lediglich in Frankreich und der Schweiz wurde ein Rückgang der Zinsmarge festgestellt. Deutschland erreicht bei den Zinserträgen mit 119,1 Prozent einen Spitzenwert, liegt jedoch mit einer Zinsmarge von lediglich 0,91 Prozent im unteren europäischen Drittel. Trotz dieser Herausforderungen bleiben die Zinserträge eine treibende Kraft für die Profitabilität der Banken und tragen zur Rückkehr des klassischen Bankgeschäfts nach Jahren der Nullzinspolitik bei. In der Folge verbesserten sich die Vorsteuergewinne um 38,9 Prozent, wobei die Benelux-Banken eine besonders starke Steigerung von 71,4 Prozent verzeichnen konnten. Die Schweiz hingegen erlebte als einziges Land einen Rückgang des Vorsteuergewinns um 8,9 Prozent.

Investitionen in IT-Infrastruktur

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Studie ist die Kostenseite der Banken. Die IT-Kosten sind um 4,9 Prozent gestiegen, was die aktuellen Transformationsanstrengungen in den Bereichen Digitalisierung und Automatisierung verdeutlicht. Besonders effizient arbeitende Banken, die als „Performer“ mit einer CIR von 55 Prozent oder weniger klassifiziert werden, investieren doppelt so viel in ihre IT-Infrastruktur wie Banken mit einem höheren CIR, die als „Laggards“ bezeichnet werden. Dr. Bosch stellt fest: „Offenbar werden unterschiedliche strategische Ziele verfolgt: Performer investieren stetig und umfassend in ihre digitale Transformation, während Laggards auf ihre bestehende Infrastruktur setzen.“

Die Studie zeigt auch, dass Banken zunehmend auf Künstliche Intelligenz (KI) setzen, um innovative Lösungen zu entwickeln. Beispiele hierfür sind KI-gestützte Kreditwürdigkeitsprüfungen, personalisierte Finanzberatung durch Chatbots und automatisierte Handelssysteme. Zudem verfolgen Banken den Ansatz der Hyperautomation, ergänzt um generative KI (GenAI), um eine höhere Skalierbarkeit und komplexere Datenverarbeitung zu ermöglichen. Trotz des großen Potenzials stehen Banken vor Herausforderungen in Bezug auf datenschutzrechtliche und ethische Fragen, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung des EU AI Act.

Cyberrisiken und regulatorische Herausforderungen

Die BaFin und die EZB haben Cyberrisiken in den Fokus ihrer Prüfungen für 2024 gestellt. Mit dem Digital Operational Resilience Act (DORA) soll die Lücke zwischen Dokumentation und Praxis geschlossen werden. Die Umsetzung von DORA erfordert umfassende Anpassungen in den IT-Landschaften der Banken und sorgt für eine Harmonisierung von Vokabular und Managementsystemen in Bereichen wie Informationssicherheit und Business Continuity Management.

Wettbewerb durch Neo-Banken

Ein weiterer Faktor, der die Bankenlandschaft beeinflusst, ist der zunehmende Wettbewerb durch Neo-Banken. Diese jungen, technologiestarken Fintech-Unternehmen haben sich neben den klassischen Banken etabliert und bieten digitale Bankdienstleistungen an, die effizienter und kundenfreundlicher sind. Die Entwicklung des Decentralised Finance (DeFi) ist ebenfalls zu beobachten, wobei Nutzer in einem offenen Netzwerk Transaktionen auf Basis von Smart Contracts durchführen können. Die Regulierungsbehörden verfolgen diese Entwicklungen genau, da die Einhaltung von Finanzvorschriften im Bankensektor von entscheidender Bedeutung ist.

Insgesamt zeigt die Bankenstudie von BearingPoint, dass trotz der Herausforderungen und Unsicherheiten, die der Bankenmarkt derzeit prägen, europäische Banken in der Lage sind, ihre Effizienz zu steigern und sich auf die zukünftigen Anforderungen vorzubereiten. Die Fähigkeit, sich an ein sich schnell veränderndes Umfeld anzupassen und innovative Technologien zu nutzen, wird entscheidend sein für den langfristigen Erfolg der Banken in Europa.

Quellen: BearingPoint, dpa-AFX, finanzen.net

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