EZB signalisiert mögliche Zinssenkung im Oktober
Die Europäische Zentralbank (EZB) zeigt sich zunehmend zuversichtlich, die Inflation unter Kontrolle zu bekommen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde schloss eine weitere Zinssenkung im Oktober nicht aus, wie die Nachrichtenagentur dpa-AFX berichtete. Lagarde äußerte sich am Montag bei einer Anhörung vor dem EU-Parlament in Brüssel. Die jüngsten Entwicklungen bei den Verbraucherpreisen hätten das Vertrauen gestärkt, dass die Teuerung zeitnah den angestrebten Zielwert erreichen könne, so Lagarde. "Wir werden dies bei unserer nächsten geldpolitischen Sitzung im Oktober berücksichtigen", sagte die Notenbankerin. Dies sind die bisher deutlichsten Hinweise Lagardes auf eine mögliche Zinssenkung im Oktober.
Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Zuletzt hatten Lagarde und andere EZB-Vertreter betont, dass weitere Zinsschritte von der Entwicklung der Konjunkturdaten abhängen würden. Im September hatte die Notenbank ihre Leitzinsen zum zweiten Mal nach der großen Inflationswelle gesenkt, nachdem sie im Juni die Zinswende eingeläutet hatte. Derzeit liegt der wichtigste Leitzins, der Einlagensatz, bei 3,50 Prozent.
Jüngste Daten aus dem Euroraum deuten auf einen deutlichen Rückgang der Inflation hin. In Frankreich und Spanien sank die Teuerung im September spürbar und fiel jeweils deutlich unter die Marke von zwei Prozent. Auch für die gesamte Eurozone wird ein Rückgang der Inflationsrate erwartet. Lagarde betonte jedoch, dass zum Jahresende wieder mit einem Anstieg der Inflation zu rechnen sei. In den kommenden Monaten dürfte ein Auslaufen von Basiseffekten bei den Energiepreisen die Teuerung im vierten Quartal vorübergehend antreiben.
Am Devisenmarkt geriet der Kurs des Euro nach den Aussagen Lagardes am Nachmittag etwas unter Druck und gab frühe Kursgewinne teilweise wieder ab.
Die EZB hatte auf ihrer Sitzung am 12. September den Leitzins um 25 Basispunkte gesenkt. "Auf der Grundlage unserer aktualisierten Beurteilung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission ist es nun angemessen, einen weiteren Schritt bei der Reduzierung des Grades der geldpolitischen Straffung zu gehen", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der Pressekonferenz.
Die Europäische Zentralbank steht vor einem schwierigen Spagat, wie die ZDF-Nachrichten analysieren. Die Notenbank müsse zwischen einer zu hohen Inflation und einer sich abkühlenden Wirtschaft abwägen. Die Kerninflation, aus der die stark schwankenden Preise für Energie und Lebensmittel herausgerechnet sind, liege noch immer deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank.
Die EZB sei besorgt über einen möglichen Inflationsanstieg im Winter, so ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann. Die steigenden Löhne würden noch bis in die erste Hälfte des kommenden Jahres hinein Inflationstreibend wirken.
Andererseits schwächele die Wirtschaft im Euroraum, so das ZDF weiter. Die deutsche Wirtschaft zeige rezessive Tendenzen und sei europäisches Schlusslicht beim Wachstum. Um die Wirtschaft in Schwung zu bekommen, bräuchte es eigentlich deutlich sinkende Zinsen.
Die moderate Senkung des Leitzinses um 0,25 Prozent sei daher ein Kompromiss, so das Fazit des ZDF.
Der Chefökonom der Commerzbank, Jörg Krämer, warf der EZB vor, die Inflationsgefahr herunterzuspielen. Die Teuerungsraten seien zwar in den vergangenen Monaten deutlich gesunken, die Kerninflation liege mit knapp drei Prozent aber noch immer deutlich über dem Inflationsziel von zwei Prozent, sagte Krämer der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).
Krämer warnte, die Entwicklung der Löhne könnte dafür sorgen, dass die Teuerung auch in den kommenden Monaten weiterhin auf hohem Niveau verharre. Die Tariflöhne in der EU seien laut EZB-Indikator im ersten Quartal um 4,7 Prozent gestiegen – und damit etwas stärker als im Schlussquartal des vergangenen Jahres. Letztlich handele es sich damit um den kräftigsten Anstieg seit Aufzeichnung der Daten im Jahr 2005.
Die EZB werde sich durch die neue Statistik zwar nicht von ihrer für Juni in Aussicht gestellten Zinssenkung abhalten lassen, glaubt Krämer. Schon bald könnte für Lagarde dann aber wieder die Notwendigkeit bestehen, nachjustieren zu müssen.
Quellen:
- dpa-AFX (via Finanzen.net: https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/ezb-praesidentin-notenbank-wird-zuversichtlicher-bei-inflationskontrolle-13880512) - https://www.onvista.de/news/2024/09-30-ezb-praesidentin-notenbank-wird-zuversichtlicher-bei-inflationskontrolle-0-10-26315191DE - https://www.ecb.europa.eu/press/press_conference/monetary-policy-statement/2024/html/ecb.is240912~4f7b17040c.de.htmlDE - https://www.ecb.europa.eu/press/press_conference/monetary-policy-statement/2024/html/ecb.is240125~db0f145c32.de.html - https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/ezb-leitzins-senkung-inflation-wirtschaft-100.html - https://www.nzz.ch/international/chefsvolkswirt-der-commerzbank-die-ezb-spielt-die-inflationsgefahr-herunter-ld.1831788 - https://finanzmarktwelt.de/ezb-lagarde-senkung-der-zinsen-steht-an-inflation-unter-kontrolle-310760/ - https://www.morningstar.de/de/news/247944/wird-die-ezb-am-11-april-die-zinss%C3%A4tze-senken.aspx