ROUNDUP: Deutsche Inflation sinkt unter 2-Prozent-Marke
WIESBADEN (dpa-AFX) - Erstmals seit über drei Jahren hat die deutsche Inflationsrate im August 2024 unter der 2-Prozent-Marke gelegen. Die Verbraucherpreise stiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,9 Prozent, was die langsamste Rate seit März 2021 darstellt. Diese vorläufigen Schätzungen wurden vom Statistischen Bundesamt bestätigt.
Im Monatsvergleich sanken die Preise im August um 0,1 Prozent. Ein wesentlicher Faktor für den Rückgang der Inflationsrate war der Preisverfall im Energiesektor, der um 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr fiel. Im Gegensatz dazu stiegen die Preise für Dienstleistungen überdurchschnittlich um 3,9 Prozent. Besonders auffällig war der Anstieg bei Autoversicherungen, die um mehr als ein Viertel teurer wurden. Auch Dienstleistungen sozialer Einrichtungen (+7,8 Prozent) und in der Gastronomie (+6,7 Prozent) verzeichneten signifikante Preiserhöhungen, was teilweise auf höhere Gehälter in diesen Bereichen zurückzuführen ist.
Die Lebensmittelpreise haben sich auf hohem Niveau stabilisiert und sind nur um 1,5 Prozent gestiegen. Einige spezifische Produkte, wie Olivenöl, haben jedoch drastische Preiserhöhungen erfahren, bedingt durch Missernten in den Mittelmeerländern. So stieg der Preis für Olivenöl um 35 Prozent. Süßwaren wie Honig, Marmelade und Zucker verteuerten sich um 5 Prozent, während Molkereiprodukte im Vergleich zum Vorjahr günstiger wurden.
Der Rückgang des Preisdrucks auf die Verbraucher ist eine bemerkenswerte Entwicklung nach mehreren Jahren hoher Inflationsraten. Im Juli 2024 hatte die Inflationsrate noch bei 2,3 Prozent gelegen, nach 2,2 Prozent im Juni. Die Kerninflation, die Energie und Nahrungsmittel ausschließt, sank im August auf 2,8 Prozent.
Diese Entwicklung könnte der Europäischen Zentralbank (EZB) Spielraum für mögliche Leitzinssenkungen geben. Im Juni 2024 hatte die EZB erstmals seit der Inflationswelle die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Im Juli hielt sie die Zinsen stabil, ließ jedoch die Möglichkeit einer Zinssenkung bei der nächsten Ratssitzung am 12. September offen. An den Finanzmärkten wird fest mit einer Zinssenkung gerechnet. Im Euroraum wurde die Inflationsrate für August auf 2,2 Prozent geschätzt.
Volkswirte erwarten, dass die Inflationsrate zum Jahresende wieder ansteigen könnte, auch wenn sie in den kommenden Monaten unter der 2-Prozent-Marke bleibt. Sebastian Becker, Volkswirt bei Deutsche Bank Research, warnt, dass das Problem der Inflation noch nicht gelöst sei, selbst wenn die Raten im September und Oktober niedrig bleiben sollten. Auch das Wirtschaftsinstitut ZEW aus Mannheim sieht die aktuelle Situation als einen Zwischenerfolg, jedoch nicht als Durchbruch in Richtung Preisstabilität.
Die japanische Bank Nomura prognostiziert, dass die Erwartungen des Marktes hinsichtlich der möglichen Zinssenkungen zunehmen werden. Ein von privatem Konsum getragenes Wachstum wird jedoch als unwahrscheinlich angesehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die sinkende Inflationsrate in Deutschland sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die Wirtschaft und die Geldpolitik mit sich bringt. Der Rückgang der Preise könnte den Verbrauchern mehr Kaufkraft verschaffen, während die EZB die Möglichkeit hat, die Zinsen anzupassen, um die wirtschaftliche Stabilität zu fördern.
Quelle: dpa-AFX