Grenzkontrollen und ihre Auswirkungen auf die Zuwanderung in Deutschland

September 15, 2024
15.09.2024
4 Minuten
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Forscher: Nicht weniger Zuwanderung durch Grenzkontrollen

Die Diskussion um die Ausweitung der Grenzkontrollen an den deutschen Landesgrenzen hat in den letzten Wochen an Intensität gewonnen. Ab dem kommenden Montag werden die bestehenden punktuellen Kontrollen auf alle deutschen Landgrenzen ausgeweitet, was in der politischen Landschaft für unterschiedliche Reaktionen sorgt. Migrationsforscher Gerald Knaus äußert sich jedoch skeptisch zu den erwarteten Ergebnissen dieser Maßnahme.

Erwartungen an die Grenzkontrollen

Gerald Knaus, ein renommierter Migrationsforscher und Mitinitiator des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei, erwartet von der anstehenden Ausweitung der Grenzkontrollen keinen spürbaren Rückgang der Asylbewerberzahlen in Deutschland. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte er: „Wer erwartet, dass die Grenzkontrollen dazu führen werden, dass irreguläre Migration zurückgeht, der weckt eine Erwartung, die ist unerfüllbar.“ Diese Einschätzung basiert auf der Beobachtung, dass viele EU-Länder, die bereits seit längerer Zeit Grenzkontrollen praktizieren, keinen signifikanten Rückgang der Asylanträge verzeichnen konnten.

Grenzkontrollen in der EU

In Ländern wie Frankreich und Österreich, die seit Jahren Grenzkontrollen als Ausnahme von den Schengen-Regeln eingeführt haben, hat sich die Situation nicht wesentlich verändert. Knaus betont, dass diese Maßnahmen nicht nur ineffektiv sind, sondern auch nicht dazu beitragen, islamistischen Terror zu verhindern, da viele der Täter sich erst in Deutschland radikalisiert hätten. „Es hat die Zahl der Asylanträge überhaupt nicht reduziert“, fügte er hinzu.

Radikale Maßnahmen gefordert

Um tatsächlich einen Rückgang der irregulären Migration zu erzielen, wären laut Knaus radikale Maßnahmen erforderlich, wie beispielsweise ein vollständiges Ende des kontrollfreien Reise- und Warenverkehrs innerhalb der EU. „Wenn die Idee tatsächlich die ist, wir stoppen jede irreguläre Migration an den deutschen Grenzen: Das geht nur dauerhaft mit einem Ende von Schengen. Dafür braucht man dann auch Zäune an der grünen Grenze“, erklärte er. Diese drastischen Maßnahmen würden jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Reisefreiheit innerhalb Europas haben und könnten zu einer weiteren Fragmentierung der EU führen.

Rückführungen und Dublin-Abkommen

Ein weiterer Aspekt, den Knaus anspricht, ist die geplante Beschleunigung der Rückführungen von Migranten, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. Er äußert Zweifel daran, dass diese Maßnahmen erfolgreich sein werden, insbesondere wenn Länder wie Italien sich weigern, Migranten zurückzunehmen. „Wenn ein Land wie Italien sagt, wir nehmen gar niemanden, und die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet, ja, dann sehen das auch andere Länder“, warnte Knaus.

EU-weiter Ansatz notwendig

Abschließend betont Knaus die Notwendigkeit eines einheitlichen, EU-weiten Ansatzes zur Reduzierung der irregulären Migration. „Wir müssen irreguläre Migration in die EU reduzieren, darüber brauchen wir eine Diskussion“, so der Forscher. Diese Diskussion könnte möglicherweise zu einem besseren Verständnis der Herausforderungen führen, mit denen die EU konfrontiert ist, und zu effektiveren Lösungen, die über nationale Grenzkontrollen hinausgehen.

Politische Reaktionen

Die politische Reaktion auf die geplanten Grenzkontrollen ist gemischt. Während einige Politiker die Maßnahmen als notwendig erachten, um die irreguläre Migration zu bekämpfen, warnen andere vor den möglichen negativen Auswirkungen auf die europäische Integration und die Reisefreiheit. Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Notwendigkeit betont, die Kontrolle über die Grenzen zu verstärken, um sicherzustellen, dass nur diejenigen, die ein Recht auf Einreise haben, in das Land gelangen.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke fordert zudem eine Rückweisung von Geflüchteten, die über sichere Drittstaaten nach Deutschland eingereist sind. „Dass wir Asylbewerber, für die ein anderes Land zuständig ist, hereinlassen und dann nicht mehr abschieben können, ist ein Irrsinn, den kein Bürger mehr versteht“, sagte Woidke. Diese Forderung stößt jedoch auf rechtliche Bedenken, da die Dublin-Verordnung von vielen EU-Ländern kaum mehr angewendet wird.

Kritik an den Maßnahmen

Die Einführung der Grenzkontrollen wird auch von anderen europäischen Ländern kritisch betrachtet. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk äußerte, dass die Zunahme der Kontrollen an den Binnengrenzen nicht die Lösung für das Problem der irregulären Migration sei. „Das einzige Mittel, um nicht ordnungsgemäße Einwanderung zu stoppen, ist es, die Außengrenzen der EU effizient zu kontrollieren. Nicht die Binnengrenzen“, erklärte Tusk.

Die Debatte um die Grenzkontrollen und die Migrationspolitik wird in den kommenden Wochen und Monaten weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen in mehreren Bundesländern und die anhaltenden Herausforderungen im Bereich der Migration in Europa.

Die Ausweitung der Grenzkontrollen wird vor dem Hintergrund einer komplexen und oft emotional geführten Debatte um Migration und Asylpolitik in Deutschland und Europa betrachtet. Die Meinungen über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen sind geteilt, und es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen sie auf die Zuwanderung und die politische Landschaft haben werden.

Quellen: finanzen.net, die Presse, TRT Deutsch, Zeit Online.

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