Spannungen im Nahen Osten nach Tötung von Hisbollah-Chef Nasrallah

September 29, 2024
29.09.2024
5 Minuten
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Die Lage im Nahen Osten ist nach der Tötung des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah durch einen israelischen Luftangriff äußerst angespannt.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu richtete eine Warnung an den Iran, den wichtigsten Verbündeten der Hisbollah, und drohte mit Vergeltung im Falle eines Angriffs. „An das Regime der Ajatollahs sage ich: Wer uns angreift, den greifen wir an“, so Netanjahu in Tel Aviv. „Es gibt keinen Ort im Iran oder im Nahen Osten, den Israels langer Arm nicht erreichen kann“, zitiert dpa-AFX den Regierungschef.

Die Spannungen im Libanon selbst erreichen ebenfalls einen neuen Höhepunkt. Das israelische Militär setzt seine Angriffe auf Ziele und Stellungen der Hisbollah-Miliz im Süden des Landes sowie in deren Hochburg, dem südlichen Vorort Beiruts, fort. Nach israelischen Angaben wurde Nabil Kauk, der Kommandeur der Sicherheitsabteilung der Hisbollah, getötet. Die Hisbollah ihrerseits setzt ihre Angriffe auf Israel fort. In vielen Teilen Israels wurde Raketenalarm ausgelöst, wobei die meisten Raketen auf offenem Gelände einschlugen.

Beobachter befürchten einen neuen Konflikt innerhalb des Libanons. Die Folgen der Tötung Nasrallahs für den Libanon sind ungewiss. Die Hisbollah ist nach dem Tod ihres Generalsekretärs am Freitag stark geschwächt.

Im Libanon beginnt am Montag eine dreitägige Staatstrauer mit Flaggen auf Halbmast und Sonderprogrammen in Fernsehen und Radio.

Zwei Tage nach dem israelischen Angriff hat die Miliz jedoch noch keine Informationen über die Beerdigung Nasrallahs oder Trauerfeierlichkeiten bekannt gegeben. Auch die Nachfolge Nasrallahs als Generalsekretär der Hisbollah ist noch ungeklärt.

Iran warnt vor Nahost-Krieg - „Alles möglich“

Die iranische Führung hält nach der gezielten Tötung Nasrallahs alle Optionen, einschließlich eines Nahost-Krieges, für möglich. „Alle sollten sich bewusst sein, dass die Lage äußerst explosiv ist und jederzeit alles möglich ist (...) auch ein Krieg“, warnte Außenminister Abbas Araghchi. Nasrallahs Blut sei nicht umsonst geflossen, und Israel werde die Tat bereuen. Einen eigenen Vergeltungsschlag erwähnte Araghchi allerdings nicht.

Laut Araghchi hat Israel eine internationale Krise ausgelöst und die Welt in Alarmbereitschaft versetzt. Der Iran habe daher eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert, so der Chefdiplomat gegenüber Reportern. Israel habe einen „eklatanten Akt terroristischer Aggression gegen Wohngebiete in Beirut verübt“, heißt es in dem Brief des iranischen UN-Botschafters Amir Saeid Iravani an das mächtigste UN-Gremium.

Netanjahu spricht von historischem Wendepunkt

„Dies sind bedeutsame Tage. Wir stehen an einem historischen Wendepunkt“, sagte Netanjahu. Er bezeichnete die gezielte Tötung von Nasrallah als die „Abrechnung mit einem Massenmörder“. Nasrallah sei eine Art Turbo der vom Iran geschaffenen „Achse des Bösen“ gewesen. „Er war nicht nur irgendein Terrorist, sondern der Terrorist schlechthin“, sagte Netanjahu. Der Hisbollah-Chef habe sich der Ermordung zahlloser Israelis, Hunderter Amerikaner und Dutzender Franzosen schuldig gemacht, so Netanjahu.

„Solange Nasrallah am Leben gewesen wäre, hätte er die (militärischen) Fähigkeiten, die wir der Hisbollah genommen haben, schnell wiederhergestellt“, fuhr Netanjahu fort. „Seine Beseitigung beschleunigt die Rückkehr unserer Bewohner in ihre Häuser im Norden.“

Seit Beginn des Gaza-Krieges vor fast einem Jahr beschießt die Hisbollah fast täglich den Norden Israels. Deswegen mussten rund 60.000 Bewohner grenznaher Orte in andere Teilen Israels fliehen.

Die Hisbollah handelt nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der islamistischen Hamas in Gaza. Sie hatte vor Nasrallahs Tod erklärt, die Angriffe erst bei einer Waffenruhe im Gaza-Krieg einzustellen.

Biden zur Tötung Nasrallahs: „Maßnahme der Gerechtigkeit“

US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Tötung Nasrallahs als „Maßnahme der Gerechtigkeit“ für die Opfer seiner vier Jahrzehnte währenden Terrorherrschaft. Die USA unterstützten weiterhin Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen die Hisbollah und andere vom Iran unterstützte Terrorgruppen, sagte Biden. Ziel der USA bleibe die Deeskalation der Konflikte im Gazastreifen und im Libanon auf diplomatischem Wege. Die US-Regierung ordnete die Ausreise von Angehörigen ihrer Diplomaten im Libanon an. Grund sei die unsichere und unvorhersehbare Lage in Beirut, hieß es.

Sorge vor Konflikten

Nach Tötung fast der gesamten oberen Führungsebene ist unklar, wer in der Hisbollah nun die Kommandos geben könnte, auch bei weiteren Angriffen auf Israel. Vermutlich wird die Hisbollah Anweisungen des Irans abwarten. Der ist unter Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei die eigentliche Schutzmacht und wichtigster Unterstützer der Miliz.

Die Tötung und Nasrallahs und das derzeitige Machtvakuum stellen den Libanon innenpolitisch vor große Probleme. Neue innerlibanesische Konflikte könnten drohen. Die libanesische Armee warnte: „Das Armee-Kommando ruft alle Bürger auf, die nationale Einheit zu bewahren und sich nicht in Handlungen ziehen zu lassen, die den zivilen Frieden in dieser gefährlichen und empfindlichen Phase in der Geschichte unseres Landes gefährden.“ Das Land hat wegen Machtkämpfen seit zwei Jahren keinen Präsidenten und faktisch keine Regierung.

In den von ihr kontrollierten Gebieten handelt die Hisbollah im Libanon wie ein eigener Staat und kümmert sich etwa um Infrastruktur, Schulen, Jugendprogramme und Gesundheitseinrichtungen. Sie ist zudem eine einflussreiche politische Partei und stellt Minister. Laut Umfragen unterstützten sie mit etwa 30 Prozent der Bevölkerung aber vergleichsweise wenig Menschen im Land. Eine Mehrheit lehnt die Hisbollah demnach ab. Das Land ist zudem konfessionell stark gespalten. Der Zorn von Nasrallahs Anhängern könnte sich auch auf der Straße entladen. Bis 1990 tobte dort ein Bürgerkrieg.

Bis zu einer Million Vertriebene im Libanon möglich

Im Libanon könnten nach Angaben des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati bis zu einer Million Menschen durch Israels Angriffe vertrieben werden. Es sei schon jetzt die größte Zahl an Vertriebenen in der Geschichte des Landes, sagte Mikati in Beirut. Im aktuellen Konflikt mit Israel könne es nur eine diplomatische Lösung geben: „Es gibt keine Wahl für uns als Diplomatie.“

Viele Menschen schlafen in Parks, auf der Straße oder am Strand aus Angst vor weiteren Angriffen etwa im Süden, Osten oder im Raum der Hauptstadt Beirut. Seit Beginn der neuen Konfrontationen zwischen Israels Armee und der Hisbollah wurden im Libanon nach UN-Angaben mehr als 210.000 Menschen vertrieben, unter ihnen etwa 120.000 allein in vergangenen Woche. 50.000 Syrer und Libanesen sind zudem nach Syrien geflohen.

Berichte: Israel setzte bei Nasrallah-Tötung gut 80 Tonnen Bomben ein

Bei der Tötung von Nasrallah soll die israelische Luftwaffe nach Medienberichten Bomben mit einem Gewicht von mehr als 80 Tonnen eingesetzt haben. Diese seien von einer Formation von mindestens zehn Kampfjets über dem unterirdischen Hauptquartier der Schiitenmiliz im Süden von Beirut abgeworfen worden, berichteten israelische Medien.

Unter den Geschossen seien auch sogenannte bunkerbrechende Bomben gewesen, die die dicken Wände des Hauptquartiers durchdrungen hätten, hieß es in den Berichten mehrerer Medien. Für diese Angaben gibt es keine offizielle Bestätigung.

Quellen:

  • dpa-AFX
  • https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/gesamt-roundup-2-nach-toetung-von-hisbollah-chef-lage-in-nahost-hochexplosiv-13878377
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